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Weihnachtsoratorium | Johann Sebastian Bach | 08.12.2001

Rheinische Post
Montag, den 10. Dezember 2001


Gedämpftes Frohlocken

Adventszeit ist Oratorienzeit: Bachs »Weihnachtsoratorium« erklang in der Johanneskirche, die Gäste wussten es zu danken.

Allerorts jauchzt und frohlockt es wieder in diesen adventlichen Tagen – vielfach in Bach'scher Manier. Da wollten Joachim Vogelsänger, seine Johanneskantorei und das »Barockorchester Düsseldorf« nicht zurückstehen. Sie hatten zu den ersten drei Kantaten des »Weihnachtsoratoriums« von Johann Sebastian Bach in die Johanneskirche eingeladen, und die Besucher kamen in Scharen.

Bei Vogelsänger frohlockt man – wie gewohnt – gedämpft und moderat. Die historische Aufführungspraxis, der er sich verschrieben hat, verlangt alte Instrumente. Sie wurden hier vorbildlich gehandhabt, doch ihr Klang ist nicht strahlend und feierlich, und der Kirchenmusikdirektor hatte auch seine erfreulich jung durchsetzte Kantorei entsprechend eingestimmt. Sie fiel durch biegsames, gut durchhörbares Singen, präzise Diktion, homogenen Gesamtklang (trotz der Übermacht der Damen), aber auch durch manche unkoordinierte Einsätze auf.

Forte erklang nur selten an diesem Abend, auch wenn der Text es eigentlich verlangt hätte, und manches war so zurückgenommen (beispielsweise der Beginn von »Lasset uns nun gehen«), dass es schon in der neunten Reihe nicht mehr zu vernehmen war. Wunderschön erklangen die Choräle – schlicht und klar in der Aussage und endlich einmal nicht durch falsch verstandene Fermaten zerstückelt. Getragen von einfühlsamen Instrumentalsoli und einer engagierten Continuogruppe, konnten die Vokalsolisten ihre Qualitäten entfalten. Thomas Laske gewann sofort mit seinem weich einschwingenden, sich zu wohliger Fülle steigernden Bass, ebenso nahm Susanne Schaeffer trotz ein wenig herber Ausstrahlung für sich ein. Sie lieh den drei Arien ihren kernigen, sich sanft entfaltenden Alt und ihre überlegene Gestaltung.

Als spannend deklamierender Evangelist mit schlackenfreiem, angenehm timbriertem Tenor stellte sich Thomas Klose vor, doch die tückischen Koloraturen der »Frohen Hirten« sind seine Sache nicht. Die unattraktivste Aufgabe in den drei Kantaten hat die Sopranistin. Dennoch wäre etwas mehr lyrisch-silbriger Glanz bei Maria Zedelius wünschenswert gewesen. – Viel Beifall.

HEIDI OEHMEN

Der Großinquisitor | Boris Blacher | 21.09.2001

Rheinische Post
Montag, den 24. September 2001


Altstadt-Herbst: Joachim Vogelsänger dirigierte Boris Blachers Oratorium »Der Großinquisitor«

Tragik des Komponisten

Der Düsseldorfer Altstadt-Herbst bot diesmal eine Rarität: Boris Blachers Oratorium »Der Großinquisitor«, kombiniert mit der Kammersinfonie op. 110a von Dimitri Schostakowitsch. Kantor Joachim Vogelsänger leitete die Kantorei der Johanneskirche und das Orchester Düsseldorfer Altstadt-Herbst.

Schostakowitsch schrieb sein achtes Streichquartett 1960. Der russische Dirigent Rudolf Barschai zeichnet für die Streichorchesterfassung verantwortlich. Der kahle Ton, die leidenschaft lichen Ausbrüche sprechen von der Tragik des Komponisten unter dem Druck des Sowjetregimes. Leider geht diese Intimität in der phantasielosen Streichorchester-Bearbeitung verloren. In der Johanneskirche kam der Faktor Überakustik erschwerend hinzu. Das nicht immer intonationssichere Orchester hatte trotz der präzisen Leitung Vogelsängers deutliche Probleme im Zusammenspiel.

Alles andere als Intimität fordert dagegen Boris Blachers Oratorium »Der Großinquisitor« nach einem Text aus Fjodor Dostjewskis Roman »Die Brüder Karamasoff«. Blacher schrieb das großangelegte Werk im Kriegsjahr 1942. Obwohl es sich nicht unmittelbar auf erlebte Ereignisse bezieht, spiegelt sich in seiner Stimmung doch die Situation des Komponisten. Als Jude durfte er in Deutschland nicht unterrichten, seine Kompositionen durften nicht aufgeführt werden. Im ersten Teil des Werkes erzählt der Chor die Geschichte: Jesus steigt zur Zeit der spanischen Inquisition auf die Erde herab. Der Kardinal-Großinquisitor von Sevilla, der gesehen hat, wie Jesus einen Blinden heilt und ein totes Kind zum Leben erweckt, lässt ihn gefangen nehmen. Ein Baritonsolo übernimmt im zweiten Teil die Worte des Großinquisitors, die dieser im Gefängnis an Jesus richtet. Es sind Vorwürfe: Jesus habe den Menschen die Freiheit der eigenen Entscheidung gegeben, dem sei die Menschheit aber nicht gewachsen, sie sei glücklicher in der diktatorischen Bevormundung.

Zum Beweis will der Großinquisitor Jesus auf dem Scheiterhaufen verbrennen lassen. Doch als Jesus auf die Vorwürfe nichts erwidert, sondern den Großinquisitor nun stumm auf die Lippen küsst, lässt dieser ihn wieder frei. Blachers deklamierende und sachlich-lineare Vertonung wechselt zwischen verhaltener Kantilene und rhythmisch akzentuierter Massigkeit.

Die Kantorei der Johanneskirche meisterte ihre Aufgabe ausgezeichnet. Ebenso überzeugend gestaltete der Bariton Ekkehard Abele die Rolle des Großinquisitors.

ANNO SCHREIER