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Mass | Leonard Bernstein | 12.06.2005

Rheinische Post
Montag, den 13. Juni 2005


Kurz und klein

Lennies Rheinfahrt

Es ist ein Trip zwischen Pop-Song, Zwölftonreihe, Alleluja und Mysterienspiel, doch ist es gottlob ein Werk von Leonard Bernstein, der schon oft das Patchwork zum Kunstziel gemacht hat. In der Düsseldorfer Johanneskirche gab es jetzt seine »Mass« (Messe), sie wurde, wie Lennie es wollte, als Theaterstück geboren – darin ein zweifelnder Zelebrant und ein Chor der Straße, die sich mit wechselnder individueller Zuneigung über die liturgischen Texte von Kyrie bis Agnus Dei hermachten.

Es war eine schöne, nicht durchgängig professionelle, aber sehr intensive Aufführung. Glänzend und mit einem bewegenden Finale John Cashmore als Zelebrant, jugendlich in Gesang und Musical-Beweglichkeit der »Street Choir« (Noten in der Hand, Mikroport an der Wange, Inbrunst in der Seele: die Damen und Herren Uhlig, Ruback, Michel, Schaub, Kroneberger, Tersek, Coors und Aigner), hinreißend der Knabensopran Johannes Metternich.

Die Johanneskantorei hätte das »Du bing, du bang, du bong« gern selber gesungen, diesen über die »Mass« hinaus berühmt gewordenen Kanon aus dem chorischen Warm-up-Repertoire; doch das Ding kam ebenso vom Band wie der dodekaphone »Credo«-Beginn. Die verbliebenen Aufgaben meisterte die Kantorei mit Anstand. Ganz prima der Kinderchor der Matthäi-Mäuse (Einstudierung: Karlfried Haas); mit exzellenten Einzelleistungen von Solo-Flöte bis Drumset empfahl sich die blutjung besetzte Orchesterakademie NRW.

Es war bewundernswert, wie der junge Kantor Wolfgang Abendroth die Fäden der Aufführung bündelte und nicht knäuelte. Er war ein inspirierender Motor des Ganzen, und was hier und da an rhythmischer Präzision fehlte, wurde durch das Feuer der Eindringlichkeit mehr als wettgemacht. Ja, die Aufführung ging einem zu Herzen, weil sie nicht die Herzlosigkeit des reinen Perfektionismus verstrahlte. Langer, ergriffener Beifall.

WOLFRAM GOERTZ

Westdeutsche Zeitung
Montag, den 13. Juni 2005


Lärmendes Spektakel mit viel Konfetti

Leonard Bernsteins szenisches Stück »Mass« wurde als ein musikalischer Gottesdienst in der Johanneskirche gefeiert.

Den englischen Begriff »Mass« kann man sowohl mit der kirchlichen Messe als auch mit der Masse übersetzen. Leonard Bernsteins 1971 entstandene »Mass«, ein szenisches Stück irgendwo zwischen Musical, Kirche und Oper, kommt diesen beiden Deutungen gleichermaßen nach.

Für die von dem jungen Dirigenten Wolfgang Abendroth geleitet Aufführung von Bernsteins Messe füllt die schiere Masse an Ausführenden rund die Hälfte der Johanneskirche. In dem verbleibenden Raum klemmt sich das sehr zahlreich erschienene Publikum. Anfang der 70er Jahre hatten genreübergreifende Werke wie die »Mass« einmal besonders hohe Konjunktur. Stücke wie »Hair« oder »Jesus Christ Superstar« auf der einen und Klassik-Rockgruppen wie Yes oder Emerson, Lake & Palmer auf der anderen Seite hatten aber schon vor Bernstein einen Großteil des mythologischen, historischen und politischen Themenfelde abgeerntet.

Bernstein konnte sich also nur noch auf den sakralen Bereich stürzen, in welchem er als »ernster« Komponist noch so etwas wie Hausrecht besaß. Herausgekommen ist ein an Stilen überreiches, teils lärmendes Spektakel in Form eines musikalischen Gottesdienstes, bei dem es auch schon mal zu Strauß-Walzern Konfetti von der Kanzel rieselt.

Die Orchesterakademie Nordrhein-Westfalen wendet sich ihrer anspruchsvollen Aufgabe, den vielen verschiedenen Stilformen in diesem zweistündigen Konglomerat gerecht zu werden, mit großer Konzentration und Hingabe zu. Mit Erfolg, selbst in dem gigantisch aufgetürmten und apokalyptischen »Agnus Dei« bleibt dem Orchester nicht die Luft weg.

Die Johanneskantorei hat es dagegen schwerer, den ständig wechselnden Interpretationsanweisungen zu folgen. Der teils geforderte »unklassische« Gesang liegt den Sängerinnen und Sängern im Chor weniger.

Im jugendlichen Street Choir, dem singenden Gegenstück zum Chor, sind einige Sänger mit dem verlangten rockigen Gesang stark gefordert. So mancher bleibt doch nah am Opernton, intoniert zweifelndes Aufbegehren nicht kritisch, sondern kreuzbrav. Die Damen des Street Choir kommen mit der Pop-Messe viel besser zurecht.

Allen Mitwirkenden enteilt aber John Cashmore als Zelebrant meilenweit. Seine Erfahrung als Bernstein-Interpret und Musical- Darsteller ermöglicht ihm eine besonders eindringliche Leistung. Für ihn gibt es ebenso Sonderapplaus wie für Johannes Metternich als Knabensopran und die Matthäi-Mäuse.

FINN JACOBSEN

11. Juni 2005, 23:19


Re: Bernstein, MASS – 11./12. Juni in Düsseldorf

woohoooo!!! Das war ja mal der Oberhammer  Cheesy Hat sich also richtig gelohnt diese Investition Wink Da es wohl (über-?) ausverkauft war, habe ich nicht gesehen, ob noch ein Kommedia irgendwo rumsass. Also, an alle, die morgen gehen: Extrem pünktlich zum Einlass da sein, ich war 5 Minuten nach Einlassbeginn da und habe gerade mal einen gequetschten Platz bekommen  Shocked
Die Omas haben sich echt durchgeprügelt Grin

Alex

Rheinische Post
Donnerstag, den 09. Juni 2005


Lennie und die Ohrwürmer

Die Johanneskantorei führt am Wochenende unter Leitung von Wolfgang Abendroth zwei Mal die »Mass« von Leonard Bernstein auf – es ist die weltweit erste Aufführung des Werks in einer Kirche überhaupt.

»Die Matthäi-Mäuse bitte ab Takt 40 etwas mehr Ton geben! Das Blech hier höchstens Mezzoforte, unbedingt zurücknehmen!«

Wolfgang Abendroth spricht seine Anweisungen ins Mikro, das ist er nicht gewohnt. Sonst reicht die Kantorenstimme allemal, sich für Chor und Orchester verständlich zu machen. Aber diesmal ist alles anders und viel größer. Der Kantor der Johanneskirche ist im Endspurt zu einem Ereignis, das es so noch nie gab. Leonard Bernsteins »Mass« wird am Wochenende zwei Mal zur Aufführung kommen – und erstmals in einer Kirche aufgeführt. Probenszene für Leonard Bernsteins Mass in der Johanneskirche

Probenszene für Leonard Bernsteins »Mass« in der Johanneskirche.
Foto: PAUL ESSER

Bernstein »Mass« ist eigentlich ein »theatre piece for singers, players and dancers«, also ein Stück Musiktheater, das am poadway lief und seinerzeit von Jackie Kennedy zur Eröffnung des Kennedy Center for Performing Arts in Washington in Auftrag gegeben wurde. Das gut 100-minütige Werk ist aber auch eine Messe, es vertont den lateinischen Messtext, ergänzt von englischen und hebräischen Kommentaren aus der Feder von Stephen Schwartz und Bernstein selbst.

Die Handlung kreist um die Hauptfigur des »Celebrant«, der sich durch eine Glaubenskrise kämpft und im Dialog mit Solisten und mehreren Chören die Last des Zweifels schließlich abwirft. Ein neuzeitliches Mysterienspiel also, und ein mitreißendes Stück Musik, das mit schier unglaublicher Kühnheit Jazz, Musical, Klassizismus, Gospel, Klezmer, Rock, Swing und vieles mehr zu einen vermag. Bernsteins »Mass« scheint vor musikalischem Witz nur so überzusprudeln und birgt beträchtliches Ohrwurm-Potential.

Der Aufwand ist erheblich: ein geteiltes Orchester beidseits eines langen Steges, der auf die Chöre zuführt, Streicher und groß besetztes Schlagzeug, zwei Orgeln, Bläser, E-Gitarren, Keyboards, ein Kinderchor, ein Solistenblock »Street People«, vierstimmiger Chor, ein solistischer Knabensopran und der »Celebrant«. Dazu jede Menge Equipment, Kabel, Mikroports, Mischpulte, Verstärker.

INFO

Bernsteins »Messe«

Besetzung: John Cashmore (Celebrant), Absolventen der Musical-Abteilung der Folkwang-Hochschule, Essen; Orchesterakademie NRW; Johanneskantorei; Matthäi-Mäuse; Leitung: Wolfgang Abendroth.

Termine: Samstag, 11. Juni, 19.30 Uhr; Sonntag, 12. Juni, 17 Uhr; Johanneskirche.

Das will organisiert sein. Aber Abendroth ist gelassen, er liegt gut im Plan, alle scheinen mehr Spaß als Stress zu haben. Regisseur Jörg Schütze müsste eigentlich verzweifeln, denn er hat bloß eine Handvoll Proben für seine halbszenische Inszenierung, aber auch er wirkt nur leicht angespannt.

Wie kam es zu diesem tollen Projekt? Er habe die »Mass« schon immer machen wollen, und als sich die Zusammenarbeit mit der Orchesterakademie NRW anbot, habe man es dann konsequent durchgezogen, antwortet Abendroth und betont, dass ohne großzügige Unterstützung externer Geldgeber ein solch gigantisches Projekt nicht zu realisieren gewesen sei. Allein der technische Aufwand und die Zahl der Solisten – Absolventen der Musical-Abteilung der Folkwang-Musikhochschule – verschlängen große Summen. Aber nun ist es endlich soweit – und alle freudig gespannt.

Wer wissen will, wie der Schöpfer der »West Side Story« ein Kyrie oder ein Credo vertont hat, sollte unbedingt hingehen.

REGINE MÜLLER

Donnerstag, den 09. Juni 2005


»Mass« von Leonard Bernstein in der Johanneskirche

Ein ganz besonderes Musikerlebnis steht in der Johanneskirche am kommenden Wochenende an: »Mass« von Leonard Bernstein. Diese Messe war ein Auftragswerk von Jaqueline Kennedy für die Eröffnung des Washingtoner Kennedy Center for Performing Arts im Jahre 1971 – in der Johanneskirche wird sie jetzt erstmals in einer deutschen Kirche aufgeführt! Das zweistündige Werk für mehr als 150 Mitwirkende ist eine polystilistische Multi-Media-Aktion, die Musik weist eine stilistische Bandbreite von Zwölftonmusik über Bernsteins »klassischen« Stil und Musical bis zum Rock auf.

Für die Aufführung in der Johanneskirche arbeiten zwei junge Ensembles der Region zusammen: die aus Jugendlichen bestehende Orchesterakademie NRW und die Johanneskantorei Düsseldorf. Die Gesamtleitung übernimmt Johanneskirchen-Kantor Wolfgang Abendroth.

STEPHAN HEYDECKE