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Messiah | Georg Friedrich Händel | 31.12.2015

Freitag, 1. Januar 2016


Beflügelt ins Neue Jahr

Am letzten Tag eines aufwühlenden Jahres bieten die Johanneskantorei und der Reading Festival Chorus Gelegenheit zur Besinnung.

Der große Moment des Halleluja
Der große Moment des Halleluja – alle Fotos © Opernnetz
Es ist das Letzte, was die Johanneskirche zu bieten hat. Zumindest für das Jahr 2015. Mit großem Aufwand hat Kantor Wolfgang Abendroth ein Silvesterkonzert organisiert. Georg Friedrich Händels Oratorium Messiah hat er auf den Programmzettel gesetzt. In englischsprachigen Ländern wird das Werk – auch in verkürzter Form – sehr viel häufiger aufgeführt; gerne zur Advents- oder Osternzeit. In Düsseldorf will Abendroth das Jahr mit dem großen Hallelujah beschließen und hat um der größeren Authentizität willen gleich mal den Reading Festival Chorus eingeladen, der gemeinsam mit dem Chor der Johanneskantorei auftritt. Hinzu kommen das Orchester der Kantorei in historischer Aufführungspraxis und vier Solisten.

Es herrscht eine entspannte Stimmung in der nahezu vollbesetzten Kirche. Eine wundervolle »blaue Stunde«, jener Zeitpunkt zwischen Dämmerung und endgültigem Einbruch der Nacht, hat die Anreise versüßt. In das allgemeine Gemurmel hinein ertönt die Sinfonia, und das Geschwätz verklingt in hoher Konzentration. Statt technisch aufwändiger Übertitel gibt es ein Programmheft, in dem neben dem englischen Originaltext auch gleich die deutsche Übersetzung mitgeliefert wird. Davon wird reger Gebrauch gemacht, obwohl der Gesang in seltener Klarheit erfolgt.

Markus Brutscher als Tenor des Oratoriums

Dazu tragen insbesondere die vier Solisten bei. Herausragend Countertenor Alex Potter, der in wunderbarer Phrasierung seine Stimme zum eigenen Instrument entwickelt. Tenor Markus Brutscher braucht kurzen Anlauf, ehe er das Publikum mit dramatischem Impetus fesselt. Rolf A. Scheiders Bass-Bariton füllt mühelos den Kirchenraum. Und Theresa Nelles, die als Spezialistin für Kirchenmusik gilt, beweist ihr Können mit auch in der Höhe verständlichen Texten.

Points of Honor

Musik
Gesang
Regie
Bühne
Publikum
Chat-Faktor

Der Chor in der Einstudierung von Edward-Rhys Harry und Wolfgang Abendroth entwickelt jenen majestätischen Glanz, der schon Georg II veranlasst haben soll, beim Halleluja vor lauter Begeisterung aufzuspringen. Ein Brauch, der sich bei den Angelsachsen zur Tradition entwickelt hat, in Düsseldorf aber kaum bekannt zu sein scheint. Auch mitzusingen ist des Deutschen Angelegenheit allenfalls, wenn Gotthilf Fischer auf einer Bühne vor ihm steht. In der Kirche überwiegt die schweigende Andacht angesichts einer großartigen Leistung.

Während das Orchester weitgehend autark spielt, widmet sich Abendroth mit umso größerer Intensität der Chorführung. Der überbordende Einsatz des musikalischen Leiters mündet in die ausgefallene Situation, dass das Orchester bisweilen in der Stimmgewalt des Chores untergeht.

Nach guten zwei Stunden ist das Publikum zu Recht der Auffassung, dass alle Beteiligten zu einer wahren Messias-Feier beigetragen haben, und will nicht aufhören zu applaudieren. Eine Zugabe des Halleluja sorgt für stürmische, stehende Ovationen – leider deshalb, weil viele Besucher eigentlich schon im Aufbruch begriffen sind. So kurzweilig und glanzvoll ist ein Jahr selten zu Ende gegangen.

MICHAEL S. ZERBAN

Freitag, 8. Januar 2016


Düsseldorf singing success for Reading Festival Chorus

The choir is twinned with the Johanneskantorei in Düsseldorf.

Performing at the Johanneskirche on New Year's Eve 2015
Performing at the Johanneskirche on New Year's Eve 2015

A Reading choir spent the New Year in Düsseldorf singing in 2016 with their twin choir. Reading Festival Chorus performed Handel's Messiah in the Johanneskirche in Düsseldorf with the Johanneskantorei.

Just as Reading is twinned with Düsseldorf, the Festival Choir is twinned with Johanneskantorei and they embarked on a choral exchange this year.

In October the Johanneskantorei visited Reading, the trip culminating in the two choirs singing Messiah in the great hall at the University of Reading.

A performance which was »greatly enjoyed« by the chairman of the Reading-Düsseldorf Association, Robert Dimmick.

The New Year's performance in Düsseldorf took place in front of a packed audience at the Johanneskirche and four vocal soloists, Theresa Nelles, Alex Potter, Markus Brutscher and Rolf Scheider lent their voices to the concert.

Mr Dimmick said: »I'm delighted to hear that the joint concert by the Reading Festival Chorus and the Johanneskantorei was so successful – but I'm not surprised, because I greatly enjoyed their joint performance in Reading in October. I hope their musical partnership will continue and grow, and particularly that they will sing together when we celebrate seventy years of friendship between Reading and Düsseldorf next year. Events like these are really important for developing friendships between people in our two cities, and that's what we're about.«

The choral exchange has been going on since the 1980s and if you fancy joining the Festival Chorus, which is celebrating its 70th anniversary, you can learn more here.

MARY NAYLOR

Abraham | Daniel Schnyder | 14.02.2015

April 2015


Abraham versammelt die Weltreligionen

Die Kantoreien der Kreuzkirche Bonn und der Johanneskirche Düsseldorf mit Daniel Schnyders Oper in Palästina

Aufführung in der Erlöserkirche Jerusalem
Aufführung in der Erlöserkirche Jerusalem

"Wenn das klappt, dann hole ich euch nach Palästina", so war die begeisterte Reaktion von Ulrich Nitschke, als er von den Plänen der Kreuzkirche Bonn hörte, im Rahmen des düsseldorf festivals und gemeinsam mit der Kantorei der Johanneskirche Düsseldorf die neue Oper von Daniel Schnyder aufzuführen. Das Thema: die Lebensgeschichte Abrahams, des Stammvaters der drei großen monotheistischen Weltreligionen. Der Schweizer Komponist Schnyder hat die menschliche Dreiecks-Geschichte um Abraham, seine Frau Sara und die Geliebte Hagar als symbolisch für die Entstehung der drei Religionen umgesetzt. Multikulturell ist dabei die Musik, die Orient und Okzident, Jazz, Klassik und Weltmusik verbindet. Im November 2014 fand die Uraufführung der szenischen Umsetzung in Düsseldorf statt (siehe www.nmz.de), zwei gefeierte Aufführungen in Bonn folgten.

Ulrich Nitschke, dessen Frau selber in der Kantorei der Kreuzkirche singt, war die letzten vier Jahre als Vertreter der Deutschen Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit (GIZ) in Jerusalem tätig. Angesichts der dort herrschenden Situation war er sofort Feuer und Flamme bei der Idee, mit zwei Aufführungen in Jerusalem und Bethlehem nicht nur im weit entfernten Deutschland, sondern auch am Ort der Konflikte ein Zeichen für Toleranz und das friedliche Miteinander der Religionen zu setzen. Bei der Organisation und Umsetzung vor Ort stieß er sowohl auf Zurückhaltung als auch auf große Begeisterung und Engagement. "Es gab viele, die ähnlich begeistert von der Idee waren wie wir, und wir haben unheimlich große Unterstützung vor Ort erfahren. Nicht alle unsere Musiker sind mitgereist und die fehlenden wurden durch ausgesprochen engagierte Studierende des Edward Saïd Konservatoriums ersetzt. Die Agentur Sky Advertising hat die Werbung für uns pro bono gemacht und auch George Bassous, der Besitzer des Bethlehem Convention Palace, unserer zweiten Spielstätte, ist uns sehr entgegengekommen", berichtet Nitschke.

Sicherheitstechnisch war die Reise von seiner Seite hochprofessionell vorbereitet: Bei zwei Treffen mit den beteiligten Musikern hatte er auf Sicherheitsmaßnahmen hingewiesen, auch im Land hatte er seine Kanäle genutzt, um sowohl die israelische als auch die palästinensische Seite wissen zu lassen, dass er sich mit circa 150 Deutschen Mitte Februar in der Westbank aufhält. "Wir haben uns natürlich in erster Linie in ganz bestimmten, sicheren Gebieten aufgehalten, aber man hat schon gemerkt, dass es im Land ganz gewaltig brodelt", berichtet Karin Freist-Wissing, Kirchenmusikdirektorin der Kreuzkirche in Bonn und musikalische Leiterin. Pfarrer Gerhard Schäfer, der die Mitwirkenden der Kreuzkirche begleitet hatte, konnte da auch noch konkretere Situationen berichten: "Ich war am frühen Morgen an der Klagemauer und machte mich im Anschluss auf den Weg, den Felsendom zu besichtigen. Ich hatte dabei nicht bedacht, dass die Kippa am Rucksack baumelte und wurde daher zunächst aufgehalten."

Für die Gruppe hatte Nitschke ein besonderes Rahmenprogramm auf die Beine gestellt, wozu natürlich die Besichtigung der beiden Städte gehörte, ebenso wie eine Tour nach Jericho und Qumran. Zwei Ereignisse werden wohl allen in bleibender Erinnerung bleiben: Am ersten Abend waren drei Vertreter der drei Religionen zum Empfang und gemeinsamen Gespräch eingeladen. Eine ganz persönliche Annäherung an Abraham: "Wir haben es nur über die Oper ,Abraham' geschafft, Vertreter der drei großen Weltreligionen an einen Tisch zu bekommen." Nach dieser gelungenen Einstimmung war auch der Besuch bei "Tent of Nations" sehr eindringlich. Südwestlich von Bethlehem bewirtschaftet der Friedensaktivist Daoud Nassar einen Weinberg und lädt zu Umwelt- und Friedensarbeit ein. Der Weinberg, der seit langem in Familienbesitz ist, ist immer wieder umkämpft - die Vernichtung von Teilen der Farm gehört leider fast zum Alltag. "Wir weigern uns Feinde zu sein", steht am Eingang - eine Botschaft, die auch die Musizierenden aus Deutschland mit "Abraham" nach Palästina bringen wollten. Der Hinweis auf die gemeinsamen Wurzeln der Religionen, die sich immer schon und immer wieder gegenseitig bekämpfen.

Die beiden Aufführungen in Jerusalem und Bethlehem wurden in erster Linie begeistert aufgenommen, und auch die Prominenz ließ sich nicht lange bitten. So war beispielsweise bei der Aufführung der Präsident der Universität in Ost-Jerusalem zu Gast, die Bürgermeisterin von Bethlehem gehörte ebenso zu den Besuchern. Wie fühlt sich eine Aufführung in dieser Atmosphäre an, will ich von KMD Karin Freist-Wissing wissen. "Ich denke, es war für uns alle eine sehr bewegende Erfahrung und natürlich auch etwas ganz anderes als die Aufführungen in Deutschland im November. Man hat gespürt, dass die Dinge, die für uns hier bloß ein ästhetisches Erlebnis sind, für die Menschen dort existenziell wichtig sind. Besonders schön waren für uns natürlich die sehr vielen positiven Rückmeldungen nach den beiden Aufführungen. Es fühlte sich ein wenig nach Aufbruchsstimmung an."

Auch Ulrich Nitschke bekam nach der Rückkehr nach Deutschland noch viele positive Rückmeldungen. "Ich habe auch bei den palästinensischen Mitarbeitern, die uns bei der Umsetzung geholfen haben, gemerkt, wie wichtig es für sie ist, dass solche Impulse auch von außen kommen - und wenn es eigentlich nur ganz kleine sind wie die Aufführung dieser Oper." Vera Baboun, seit 2012 Bürgermeisterin von Bethlehem, sprach nach der Aufführung davon, dass dies ihre "Vision vom Frieden" sei. Für Ulrich Nitschke, Karin Freist-Wissing und die Musiker der Bonner Kreuzkirche ist das Thema nicht erledigt: Die Planungen für ein Benefizkonzert für "Tent of Nations" laufen bereits - und auch Daniel Schnyder will sich hierfür musikalisch mit "Ismael" auseinandersetzen.

VERENA DÜREN