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Jephtha | Georg Friedrich Händel | 01.10.2004

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»So wird belohnt, wer Gott verehrt«

Points of Honor *

Musik
Gesang
Regie
Bühne
Publikum
Chat-Faktor

»Jephta« ist Händels letztes Oratorium. Der Bibeltext aus dem Alten Testament ist nur wenigen bekannt, aufgrund seines dramaturgischen Aufbaus aber prädestiniert für eine musikalische Vertonung. Die Geschichte des israelitischen Königs Jephta, der wegen eines verhängnisvollen Gelübdes seine einzige Tochter Gott zum Opfer darbringen will, schließlich aber (zumindest im abgewandelten Text des Oratoriums) davon befreit wird, ist durch ihre einfache, klar strukturierte Handlung gekennzeichnet. Die effektvoll gestaltete Musik des Komponisten kann so zur vollen Entfaltung kommen.

Garant für eine höchst eindrucksvolle Aufführung in der Düsseldorfer Johanneskirche waren Sänger und Instrumentalisten auf außerordentlich hohem Niveau. Allein das Solisten-Ensemble: Was für einen ausdrucksstarken Jephta liefert da der Tenor Markus Brutscher – hoch emotional und stets dicht am Text. Für seine Interpretation bekam er vom Publikum den mit Abstand stärksten Beifall. Jephtas Tochter Iphis wird von Hendrickje van Kerckhove mit leuchtend hellem Sopran gesungen; dieser Kontrast ist ebenso prägnant wie überzeugend. Ivan Garcias kann mit seinem kräftigen Bass in der Rolle des Zebul musikalisch glänzen, lediglich seine Aussprache lässt bisweilen zu Wünschen übrig. Ähnliches gilt – in abgeschwächter Form – für Julie Baily als Jephtas Frau Storgé. Patrick van Goethem (Hamor) ist ein kompetenter Countertenor mit leichten Schwächen in der Phrasierung. Schließlich Elise Gäbele: Dass selbst die kurze Partie des Engels mit solch einem wunderschön klingenden Sopran besetzt werden konnte, spricht für die qualitative Auswahl der Solisten.

In den Chornummern wird die Meisterhaftigkeit Händels besonders deutlich. Die Johanneskantorei Düsseldorf singt die teilweise sehr anspruchsvollen Partien höchst präzise und mit viel Engagement.

Hervorragende Arbeit leistet auch das »orchester düsseldorfer altstadt herbst«. Für Streichinstrumente ist die ansonsten vorzügliche Akustik in der Johanneskirche nicht immer ganz optimal. Doch dieser Umstand hinderte die Musiker unter der Leitung von Wolfgang Abendroth nicht an einer brillanten Darbietung und einem fehlerfreien Zusammenspiel mit Chor und Solisten.

Ein während der Aufführung überaus aufmerksames Publikum zeigte am Ende seine große Begeisterung mit ausgiebigem Beifall. (cd)

Rheinische Post
Montag, den 4. Oktober 2004


Glatt und folgenlos

Während er schon erblindete, schrieb er noch daran: »Jephta«, Händels letztes Oratorium hatte eine für ihn ungewöhnlich lange und tragisch überschattete Entstehungsgeschichte. Ob » Jephta« deshalb der krönende Abschluss seines glanzvollen Oratorienschaffens ist, darf zumindest bezweifelt werden. Obwohl die alttestamentarische Geschichte – mächtige Vaterfigur verspricht in der Not Gott das Opfer der ersten Person, die ihm begegnet und muss schließlich das eigene Kind opfern – ein dankbarer, immer wieder verwendeter Stoff ist, dramatisch und voll innerer Konflikte, ist Händels Partitur vergleichsweise mittlerer Temperatur.

Da fliegen nicht die Fetzen wie im »Saul«, es gibt keine mystisch entrückten Arien wie im »Solomon«, keine Chor-Schlachten. Ein nach innen gewendetes Drama? Davon war wenig zu spüren in der Johanneskirche in der untadelig-glatten, aber folgenlosen Aufführung unter der Leitung Wolfgang Abendroths. Das »altstadtherbst orchester« leitete er zu schlankem, meist flottem und stilistisch sauberem Spiel an, allein der drängende Motor, der Opernimpuls, der in jedem Händeloratorium mitvibriert, fehlte.

Die Johanneskantorei, mit nur sieben Chören im fast dreistündigen Werk leider unterbeschäftigt, war gut studiert, bisweilen zaghaft im Einsatz und in der Altfraktion flach im Ton. Die ausgezeichneten Solisten waren ihrem eigenen Temperament überlassen, auch da fehlte Führung, was sich vor allem in hölzern- verschleppten, umständlichen Kadenzen zeigte.

Gediegener, etwas matter Abend

Mit Furor drängte Markus Brutscher (Tenor) als Jephta voran und schaffte sich mit agilem Stimmeinsatz einen eigenen dramatischen Spielraum. Schlank, stimmschön und stilsicher Hendrickje van Kerckhoves »Iphis«-Sopran. Julie Bailly verlieh der »Storgé« satte Mezzotöne, Patrick van Goethems weich getönter Altus stand dem »Hamor« gut an, Elise Gäbele als klarer Engels- Sopran und der erzene Bass von Ivan Garcia als Zebul, dessen Text allerdings unverständlich blieb, rundeten das Ensemble erfreulich ab. Ein gediegener, etwas matter Abend. Dennoch große Begeisterung in der gut gefüllten Johanneskirche.

REGINE MÜLLER

Johannespassion | Johann Sebastian Bach | 27.03.2004

Rheinische Post
Montag, den 29. März 2004


Die Johannes-Passion in der Johanneskirche

Ein wenig nervös

Mühsam wälzten sich die endlosen Sechzehntelketten des Eingangschores wie zähflüssige Lava voran, der Weg bis zu den ersten »Herr!«-Choraufschreien schien ungewöhnlich lang zu sein. Und das, obwohl Wolfgang Abendroth sich für das Düsseldorfer Barockorchester entschieden hatte: ein Ensemble, das der authentischen Aufführungspraxis kundig ist, sich dem ausgedünnten, schlanken Klangideal verschrieben hat und der klanglichen Verfettung und damit der Gefahr der Verlangsamung durch Gewicht abhold ist.

Also war der zähflüssige Beginn als geplant zu werten, ein langsames Sich-Herauswinden aus der Starre der Qual, der Verzweiflung. Schon bei der Wiederholung des A-Teils hatte das Unternehmen an Tempo zugelegt, überhaupt überwogen in Abendroths Deutung der Bach'schen Passion zügige Tempi.

Vor allem die Choräle pulsierten in sprachnahem Duktus, weichten nicht auf in bedeutungsschwangeren Generalpausen und dynamischen Spirenzchen. Die gut präparierte Johanneskantorei überzeugte das Publikum durch Ausgewogenheit und Koloratursicherheit. Ein leichtes Bass-Übergewicht und die Neigung der Soprane, durch Überengagement bisweilen zu hoch zu intonieren, seien als kleine Schönheitsfehler angemerkt.

Im Orchester fielen vor allem die ausgezeichneten, höchst markant zeichnenden Holzbläser auf, kleine Meinungsverschiedenheiten im Continuo blieben Einzelfälle. Wenn dennoch über dem Unternehmen eine gewisse Nervosität lastete, dann lag dies an Johannes Klüsers Gestaltung der zentralen Evangelisten-Partie. KIüser ist mit allem begabt, was ein erstklassiger Evangelist braucht: einem beweglichen, modulationsfähigen, höhensicheren Tenor, Textverständnis und Ausdruckswillen; ja, er scheint von allem etwas zu viel zu besitzen. Offenbar erkältet, änderte er minütlich seinen Vortrags-Plan. Neben stimmlichen Extravaganzen leistete er sich auch einige stilistische Blüten.

Balsamisch-nobel und von natürlicher Autorität Gotthold Schwarz' Jesusworte, souverän und kraftvoll Manfred Bittners Bassarien und Pilatusworte. Franziska Orendis runder Alt erfreute durch klare Konturen, Dorothee Wohlgemuths glockenreiner Sopran durch sicheren Stilwillen und schlackenlosen Ton. Eine spannungsreiche Johannes-Passion mit vielen großen Momenten, der allerdings ein wenig der ruhende Pol fehlte.

REGINE MÜLLER

Westdeutsche Zeitung
Montag, den 29. März 2004


Leidensgeschichte Christi eindrucksvoll hörbar gemacht

Bachs Johannespassion überzeugt / Tenor Klüser meistert Schwierigkeiten

Die Glocken läuten, nachdem der letzte Ton der Johannespassion von Johann Sebastian Bach verklungen war. Es gibt wunschgemäß keinen Applaus in der Johanneskirche, ein seltsam ungewohnter aber doch spannender, ehrfurchtsvoller Moment. Der Verzicht auf Beifall nach Passionswerken oder ähnlich ernsten Kompositionen geistlichen Inhalts ist ja kein seltenes Ritual, und doch fühlt sich der Hörer verwirrend untätig nach gut zwei Stunden live erlebter Musik für Soli, Chor und Orchester.

Wolfgang Abendroth leitet Johanneskantorei und Düsseldorfer Barockorchester, dirigiert nicht modisch schnell, sondern wählt für den Eingangschor ein gemessenes aber auch nicht schleppendes Tempo. Die Zeichengebung des jungen Johannes-Kantors gestaltet sieh durchaus agil, und es wird eine intensive Aufführung, die der Leidensgeschichte Christi nach dem Bericht des Evangelisten Johannes plastische Nähe verleiht. Der vergleichsweise rasch abgewickelte Schlusschoral erstaunt indes in Anbetracht der Ruhe, die sich Abendroth für andere Stellen des Werkes lässt.

Das Düsseldorfer Barockorchester musiziert ausdrucksvoll, neigt aber öfters zu Intonationstrübungen – ein typisches Dilemma der historischen aber technisch nicht eben perfekten Aufführungspraxis. Die Johannes-Kantorei erscheint sehr gut vorbereitet, zeichnet sich durch exakte Einsätze aus und singt erfreulich textverständlich.

Gediegene Qualität bei den Solisten: Johannes Klüser (Tenor) hat in der Rolle des Evangelisten den größten Part. Er ist allerdings ein wenig indisponiert und muss zwischen seinen Einsätzen immer wieder husten und den einen oder anderen Schluck Wasser zu sich nehmen. Mit beachtlicher Professionalität hält er dennoch bis zum Ende der Aufführung durch und gestaltet seine wichtige Erzähler-Partie, den Widrigkeiten zum Trotz, durchgehend spannungsvoll.

Der Bassist Gotthold Schwarz präsentiert die Jesusworte mit schöner, expressiver Stimme. Nobel gibt Manfred Bittner (Bass) die Pilatus-Worte. Dorothee Wohlgemuth singt die Sopran-Arien sehr schlank und klar. Kontrastreich hierzu tönt die Altistin Franziska Orendi ihre Stimme dunkel ein und erzeugt dadurch einen sehr reizvollen Bronzeklang.

(wall)